Das goldene Dutzend der Serien-Saison brachte grantige Glücksentsagerinnen, aufreibende Krankenhausschichten, vitale Franchise-Wiederbelebungen und die wirklich ungeschminkte Wahrheit über Hollywood.

12. Alien: Earth (S01)

Okay, das Ende war nachgerade provokant antiklimaktisch. Weil es jedoch auch weniger als Abschluss denn als Transition angelegt war, besteht die sehr berechtigte Hoffnung, dass die zweite Staffel von Alien: Earth dem steilen Setup letztendlich noch umfassend gerecht wird. Schließlich stand ja nie ernsthaft zur Debatte, dass Noah Hawley mit dem Prequel – nach Fargo – erneut virtuos unter Beweis gestellt hat, dass er ikonische Stoffe nicht einfach respektvoll weiterführen will, sondern kenntnisreich von Grund auf neu deuten kann. Allen nostalgisch aufgeladenen Fanboy-Reflexen zum Trotz gelang es ihm so, das 50 Jahre alte Franchise mit geiler Sicherheit für das Serienformat zu öffnen. Er löste den Horror aus der Enge klaustrophobischer Raumstationen und verlegte ihn auf die Erde des Jahres 2120, kurz vor den Ereignissen von Alien. Das Ergebnis: eine philosophisch gefärbte, ultra-atmosphärische Science-Fiction-Saga über Konzernmacht, Ausbeutung und Identität, die zwischen kühn ausgeprägten Ruhephasen und präzise gesetzten Schockmomenten den Mythos auch auf Monster-Seite massiv erweiterte – mit Kreaturen, die den Xenomorph beinahe in den Hintergrund drängten. Speziell dieser Tentakel-Augapfel blieb haften: so niedlich wie nachhaltig schlafraubend.

11. The Lowdown (S01)

Mit dem Nachfolger seines All-Native-Dramedy-Bangers Reservation Dogs blieb Sterlin Harjo dem Ökosystem Oklahoma treu: The Lowdown folgte Lee Raybon, 1A-zerschrammt von Ethan Hawke ausgelegt, einem „truth-storian“, der zwischen Antiquariat und Bürgerjournalismus, Schnüffelei und Tagträumerei mit chaotischem Slacker-Charme die dunklen Seiten von Tulsa erkundete – bis ihn seine Recherchen zum Selbstmord des schwarzen Schafs aus einer einflussreichen Dynastie immer gründlicher in einen Strudel aus Korruption und verdrängten Ungerechtigkeiten zog. Selbstredend begnügte sich diese Sendung nicht mit Gumshoe-Plots. Mit gutem Feingefühl wurde auch eine angespannte Vater-Tochter-Beziehung nachgezeichnet – und mit einem Ensemble aus Charaktergesichtern wie Keith David, Jeanne Tripplehorn, Kyle MacLachlan und Peter Dinklage wurde dieses Soziotop zudem fabelhaft lebendig in Szene gesetzt. Mit genuiner Verbundenheit zu Land und Leuten verband der äußerst talentierte Mr. Harjo hier Noir, Schmäh und gar Mythisches und demonstrierte damit, dass sein Blick auf die Heimat noch nuancierter geworden ist.

10. The Chair Company (S01)

Wer hätte gedacht, dass sich ausgerechnet Tim Robinson als ein heimlicher Erbe David Lynchs erweisen würde? Mit seiner ersten Arbeit für HBO griff der Sketch-Comedian jene Motive auf, die sein Œuvre des sozialen Kontrollverlusts seit Jahren prägen, und baute sie zur langen Form aus, zu einem ausgewachsenen Fiebertraum, in dem unter der Oberfläche eines gepflegten Vorstadtlebens etwas zutiefst Unheimliches brodelte. Am Beginn stand eine Demütigung von beinahe lächerlicher Banalität: Für Office Drone Ron Trosper wuchs sich die Suche nach der „Wahrheit“ hinter dem Zusammenbruch seines Bürostuhls während einer Präsentation indes rasch zur vollkommenen Obsession aus. Es folgte ein verstörender Gang durch ein Labyrinth aus Verschwörungen, falschen Fährten und grotesken Begegnungen. Robinson und Creator-Partner Zach Kanin erzählten davon als Studie einer aus den Fugen geratenen Normie-Existenz und gelangten mit Paranoia-Thrills sowie dem nervösen Klamauk von I Think You Should Leave zu einer Allegorie auf eine Midlife-Crisis im Zeitalter toxischen „Too Online“-Seins. In diesem Meisterwerk der Unbehaglichkeit avancierte ein schadhafter Stuhl zum Menetekel dafür, wie dünn die Trennlinie zwischen Alltag und Wahnsinn vielerorts geworden ist.

9. Andor (S02)

Es geschehen noch Zeichen und Wunder – etwa, wenn sich der Autor dieser Zeilen, sonst ja bekennender Star-Wars-Agnostiker, in einem Format aus jenem Universum in der Tat einmal richtig beseelt zurücklehnen kann. Zuletzt war dies beim Prequel-Film Rogue One der Fall, nun wiederholte sich das Phänomen mit dessen Prequel-Serie Andor. Deren zweite und abschließende Staffel zeigte, dass der ewige Krieg der Sterne erwachsen, politisch, gar verblüffend profund sein kann. Creator Tony Gilroy erinnerte mit gutem Punch daran, dass Rebellion stets auch ein persönliches Wagnis ist – nicht zuletzt für die vom Schmuggler zum beherzten Freiheitskämpfer gewandelte Titelfigur. Mit präziser Plot-Dynamisierung und ausgeklügelter Figurenentwicklung erkundete diese Show, wie autoritäre Macht entsteht und wie Menschen sich ihr entgegenstellen können – hallo Leben im Jahr 2025! Andor geriet solcherart zum wahrlich fulminanten Beweis dafür, was möglich ist, wenn sich ein Franchise nicht mit Fan-Service zufrieden geben will.

8. Task (S01)

Auf den ersten Blick schien Task stark vertrautes Prestige-TV-Terrain zu bespielen: ein vom Leben gezeichneter Gesetzeshüter, ein charismatischer Gesetzesbrecher mit Ehrenkodex, dazu eine üble Biker-Gang in den grauen Vororten Pennsylvanias. Doch Brad Ingelsby (Mare of Easttown) nutzte diese Archetypen bloß als Einstieg. Das Format interessierte sich weniger für Verbrechen als für die Menschen, die daran zerbrechen: Mark Ruffalo gab einen FBI-Agenten, der nach dem Tod seiner Frau nur noch auf Autopilot funktioniert; Tom Pelphrey einen Einbrecher, der andere Kriminelle bestiehlt, um seine Familie über die Runden zu bringen. Vor allem Pelphreys Performance war eine echte Offenbarung: Je näher man seiner Figur kam, desto unmöglicher wurde es, sie als Antagonisten zu begreifen. In ruhigem, bestimmtem Rhythmus philosophierte der Siebenteiler darüber, wie schwer es ist, das Richtige zu tun, wenn jede einzelne Option schmutzig ist. Die vordergründige Katz-und-Maus-Konstellation diente als Vehikel für eine komplexe Auseinandersetzung mit Moral und Schuld, fand bei aller Tragik aber auch Momente der Hoffnung. Nur würdig und recht also, dass HBO die Serie trotz ursprünglicher Limitierung schließlich doch verlängerte.

7. The Pitt (S01)

In einem Serienjahr, das die Renaissance klassischer TV-Tugenden munter vorantrieb – schön, dass du auch da warst, Poker Face! –, erwies sich The Pitt als das eindrücklichste Plädoyer für das gute alte episodische Erzählen. Während zahllose Streaming-Formate auf endlose Serialisierung setzten, konzentrierte sich dieses Oldschool-Krankenhausdrama wieder auf die Schlagkraft seiner einzelnen Folgen: Jede einzelne davon entsprach hier exakt einer Stunde einer Schicht in der Notaufnahme. Das rief unweigerlich die Hochzeit von Emergency Room in Erinnerung, geriet aber nie zur nostalgischen Kopie. Getragen von Noah Wyles daueralertem Dr. Robby informierte The Pitt über ein Gesundheitssystem am Rande des Kollapses: Die Echtzeit-Struktur kam hierbei aber zu keinem Zeitpunkt als reines formales Gimmick daher, zwang vielmehr alle Beteiligten in einen ungefilterten Strom aus medizinischen Extremsituationen, harten bis herzzerreißenden Entscheidungen und chronischer Stressbelastung. Unterm Strich war das eine aufwühlende Achterbahnfahrt, die klassisch und gegenwärtig anmutete – eine perfekte Untermauerung der Tatsache, dass man TV nicht neu erfinden muss, um Hochspannung zu erzeugen. Natürlich möchte prinzipiell niemand gern einen langen, einen sehr, sehr langen Tag in einer Notaufnahme verbringen. Diese spezifischen 15 Stunden vergingen allerdings wahrlich wie im Flug.

6. Pluribus (S01)

Was wäre, wenn die Apokalypse nicht Zerstörung, sondern Zufriedenheit brächte? Nach Breaking Bad und Better Call Saul hätte Vince Gilligan jedes Projekt umsetzen können – er entschied sich gleichwohl für eine Rückkehr zu seinen Sci-Fi-Wurzeln und für eines der kühnsten Gedankenexperimente des kontemporären Fernsehens. In Pluribus imaginierte er eine Welt, in der ein außerirdischer Virus die gesamte Menschheit (fast) zu einem glückseligen Schwarmbewusstsein verschmolz: Weltfrieden, geteiltes Wissen, das Ende jeden Konflikts. Nur eine Handvoll Menschen blieb immun, allen voran Carol Sturka (Rhea Seehorn) als solitäres Gravitationszentrum der Show: eine unversöhnliche Individualistin, die auf ihrem Recht auf Wut und Einsamkeit beharrte und somit die Sollbruchstelle des neuen Glücksregimes darstellte. Gilligan setzte diese Entwicklungen in formvollendet komponierten, oft menschenleeren Bildern bewusst langsam in Szene, vertraute dabei voll und ganz auf die Wirkmacht seines Konzepts. Das Apple-TV-Format interessierte sich weniger für das „Warum“ der Ereignisse als für das „Was nun?“, damit für die hintersinnige Vermessung einer Welt, in der gerade Grantigkeit die ultima ratio menschlicher Selbstbestimmung darstellte. In einem TV-Jahr voller makelloser Science-Fiction-Shows zeigte Pluribus auf, dass radikale Geduld und emotionale Ambivalenz im Serienfernsehen zuweilen krasser einschlagen können als jede High-End-Apokalypse.

5. M – Son of the Century (S01)

Excess all Areas! Dieses kontroverse Sky Original über den Aufstieg des Faschismus erhob keinerlei Anspruch auf ästhetische Zurückhaltung – oder historische Distanz. Joe Wright (Abbitte) inszenierte Antonio Scuratis Vorlage vorsätzlich als expressionistische, fiebrige Phantasmagorie, in der politische Analyse und grelle Theatralik fließend ineinander übergehen durften. Während die Miniserie Mussolini auf seinem Weg vom Publizisten zum Diktator folgte, setzte sie auf ein stilistisches Arsenal, das das Publikum gezielt zu destabilisieren wusste: harte Schatten, forsche Montagen, der treibende Score von Chemical Brother Tom Rowlands sowie direkte Ansprachen in die Kamera, die die Selbstinszenierung eines Demagogen demaskierten. Luca Marinelli legte diesen Duce maximalistisch als Mischung aus ideologischer Windschlüpfrigkeit und narzisstischem Größenwahn an; nah an anderen „starken Männern“, aber ein ganz eigenes Monster. M – Son of the Century beleuchtete auf verstörend unterhaltsame Weise die Mechanismen autoritärer Verführung, entlarvte dabei die ideologische Leere des Faschismus zwischen Macht um ihrer selbst willen, kalkulierter Gewalt und schamlosem Opportunismus.

4. Dying For Sex (S01)

Eigentlich ja ein nahezu aussichtsloses Unterfangen: Eine todkranke Protagonistin und eine Geschichte sexueller Selbstfindung unter einen Hut zu bringen. Die FX-Miniserie Dying for Sex meisterte diese harte Aufgabe indes mit Verve. Die Co-Creatorinnen Liz Meriwether und Kim Rosenstock blieben der Direktheit des adaptierten Podcasts treu und vertrauten dabei ganz auf Michelle Williams‘ brillantes Porträt von Molly Kochan – jener Amerikanerin, die nach ihrer Krebsdiagnose beschlossen hatte, ihre verbleibende Zeit nicht der Resignation, sondern ihrem Begehren zu widmen und ihren Körper noch einmal für sich zu reklamieren, bevor die Krankheit ihn ihr nehmen würde. Zentral war dabei das Verhältnis zu ihrer besten Freundin (Jenny Slate, stark): Nikkis Energie, Witz und Aufrichtigkeit bildeten weit über jedweden Comic Relief hinaus das emotionale Fundament der Show. Dying for Sex vermied erfolgreich Rührseligkeit und Kitsch, wirkte in seiner sexuellen Offenheit nie plakativ und fand einen Ton, der zu gleichen Teilen schmerzhaft ehrlich und überzeugend kraftvoll war. Eindrucksvoll wurde hier illustriert, wie man den Tod ernst nimmt, ohne dabei dem Leben die Freude zu verwehren.

3. Severance (S02)

Kaum ein Serienereignis wurde 2025 wohl so sehnlich erwartet wie die Rückkehr von Severance. Nach drei Jahren Pause und einem der heftigsten Cliffhanger der jüngeren Fernsehgeschichte stand die zweite Staffel unter enormem Erwartungsdruck: Sie nutzte ihn, um die eigene Form schlüssig weiterzudenken. Der Fokus verlagerte sich dabei etwas weg von der ausgeklügelten Mystery-Mechanik und hin zur Menschlichkeit jener Charaktere, die in den sterilen Fluren von Lumon Industries gefangen sind. Obwohl das Konzept des radikal getrennten Arbeits- und Privatbewusstseins kühl und kontrolliert umgesetzt blieb, öffnete Serienschöpfer Dan Erickson seine Erfindung in emotionaler Hinsicht: Marks verzweifelter Versuch, die beiden Hälften seines Bewusstseins wieder zu vereinen und Gemma zu retten, sowie Hellys innere Zerrissenheit zwischen Rebellion und Herkunft verliehen dieser High-Concept-Corporate-Satire neue Gravitas. Spielzeit zwei lieferte Antworten, ohne ihre Rätsel preiszugeben, und pushte unmissverständlich weiter, was schon in der Debütsaison angelegt war: Schmerz lässt sich weder verwalten noch abspalten, man muss ihn schon – schlicht und gar nicht einfach – aushalten.

2. Adolescence (S01)

Die verstörendste Serie des Jahres 2025 kam ganz ohne Dystopien oder abscheuliche Aliens aus. Den vier ultraintensiven Episoden von Adolescence reichte die Story eines 13-Jährigen, der eine Mitschülerin getötet hat, sowie die Schockwellen, die diese Tat durch Familie, Schule und Institutionen schickte. Regisseur Philip Barantinis Entscheidung, jede Folge in einem einzigen One-Shot zu drehen, erwies sich als Instrument höchster Dringlichkeit: Ohne Schnitte wurden wir in eine erschreckend nahe Realität gezwungen, ganz dicht dran an Eltern, Ermittlern und Psychologen. Im Zentrum stand weniger die Aufklärung des Verbrechens als die quälende Suche nach den Gründen und der Umgang mit dem Danach. Der damals ebenfalls erst 13-jährige Owen Cooper hinterließ in seiner Debütrolle mit einer beunruhigenden Mischung aus kindlicher Unreife und innerer Verhärtung nachhaltig Eindruck – flankiert von Stephen Graham als überfordertem Vater und Erin Doherty in einer zentralen Therapieszene von beklemmender Intensität. Adolescence schaute hin, wo sonst gern weggesehen wird, ohne je sensationslüstern zu sein, und löste gerade deshalb einen breiten Diskurs über Männlichkeitsbilder, Online-Radikalisierung und elterliche Hilflosigkeit aus. Das lag auch – oder gerade – daran, dass diese Netflix-Produktion um die Unmöglichkeit einfacher Erklärungen wusste.

1. The Studio (S01)

Hollywood liebt es, sich selbst zu porträtieren und zu persiflieren – und der Verfasser dieser Zeilen liebt kaum etwas mehr, als wenn Hollywood sich dabei wirklich nichts scheißt. In diesem Sinne: Danke, Sal Saperstein. Danke, Seth Rogen. Danke für eine Comedy-Serie, die uns in einem Jahr, das sonst eher wenig Anlass zur Zuversicht bot, die vergnüglichste und klügste Auszeit vor den Fernsehgeräten geschenkt hat. The Studio warf einen bitterbösen Blick hinter die Kulissen eines Studiosystems, das längst mehr von IP, Markenwerten und Excel-Tabellen als von künstlerischen Visionen regiert wird; eines Apparats, in dem cinephiler Idealismus und wirtschaftliche Realität nur noch selten miteinander vereinbar scheinen. Man frage im Zweifel Martin Scorsese. Oder Matt Remick. Rogens frisch beförderter Studioleiter war das perfekte Zentrum dieser Satire: zwar gutmeinend und ambitioniert, aber permanent dabei, alles falsch zu machen, obwohl er doch nur eines will: tolle Filme. Was die Apple-TV-Produktion so effektiv machte, war ihr profundes Insiderwissen, mit dem die Pointen mit beträchtlicher Treffsicherheit platziert wurden. Dank eines glänzend aufgelegten Ensembles sowie zahlloser selbstentlarvender Cameos funktionierte die Serie jedoch weit über ihre Branchenwitze hinaus. Das war zudem auch der formalen Experimentierfreude geschuldet, die man so konsequent selten im Fernsehen sieht: extralange Einstellungen, komplette One-Shot-Episoden und stilistische Anleihen bei Filmklassikern waren integrale Bestandteile einer unwiderstehlich energetischen Inszenierung. Trotz der vielen, vielen hochvergnüglichen Cringe-Momente ging es hier aber auch nie zynisch um des Zynismus willen zu. Im Gegenteil: Es war gerade die ungekünstelte, echte Liebe zum Kino, die The Studio zur lustigsten und besten Serie des Jahres machte.