Tropisches, twist-reiches Mystery-Comedy-Mashup auf White Lotus-Wellenlänge: Die Köpfe hinter Palm Springs und Mr. Robot liefern sonnensatte, schräge Urlaubs-Thrills für die Nachsaison vor dem Fernsehkastl.

Darum geht’s: Er wird seit jeher ganz gern unterschätzt und ist dann und wann gar Grund für abschätziges Naserümpfen – doch wenn er richtig und richtig gut gearbeitet ist, mag er zwar nicht gleich Gold, aber zumindest eine echt gute Zeit wert sein: der Smart Comfort Binge. Jene Sorte Serien-Unterhaltung also, die dich mit einem gerüttelt Maß Suspense und einem nicht zu kurz gekommenen Spaßfaktor tüchtig in ihren Bann zu ziehen vermag, ohne dir dabei gleich das Gehirn zum unablässigen Qualmen bringen oder das Gemüt kontinuierlich in den Grundfesten erschüttern zu müssen. Die dir fein getunete Kurzweil und gekonnt getaktete Kicks liefert, dich dabei stets für voll nimmt – und die Genre-Gepflogenheiten ernst. Dieser Balanceakt zwischen high und low brow ist eine der höchsten, unterschätztesten Künste im Fernsehschaffen. Entsprechend selten gelingt er, noch seltener ist er über längere Zeit ohne Reibungsverluste aufrechtzuerhalten. Der Grund dafür ist ganz trivial: Auch perfekt abgeschmeckte Seriengerichte werden dir irgendwann mal fad – selbst, wenn sie die ersten 40 Male mundeten. In einer solchen Lage kann man von Serienmacherseite dann kaum noch richtig reagieren: Weil man entweder im Verwaltungsmodus verharrt und wenig bis nix ändert oder es aber im Bestreben, alles noch ein wenig länger aufregend zu halten, mit neuen Cheap Thrills übertreibt – worauf das große Ganze dann endgültig und irreversibel kippt. Ende Gelände, Show kaputt und bald abgesetzt.

Das sind freilich Sorgen, über die sich diese neue Produktion des bis dato nur äußerst knapp über der Wahrnehmungsschwelle waltenden US-Streaming-Anbieters Peacock keine Gedanken machen muss, zumindest jetzt noch nicht. Den ersten Teil der oben beschriebenen Übung hat The Resort indes im abgelaufenen Sommer bereits anstandslos absolviert – und damit direkt das Erbe zweier Shows angetreten, die uns genau vor einem Jahr, in der heißen Jahreszeit 2021, Musterbeispiele für abkühlende wie aufregende Smart Comfort Binges geliefert hatten: Only Murders in the Building und The White Lotus. Womit die Koordinaten nun auch schon ziemlich genau abgesteckt wären, deren Korrektheit nun endlich auch in unseren Gefilden überprüft werden darf. Der etwas verspätete Start via Sky hat natürlich auch seine Vorteile: bietet er doch Möglichkeit des zusätzlichen Kicks, dem mittlerweile eingezogenen Herbst noch einmal Konter zu geben mit einer kräftigen Ladung televisionär transportierter tropischer Vibes. Die haben diesmal jedoch nicht in Hawaii ihren Ursprung wie in The White Lotus, sondern in Mexiko, genauer: an der Riviera Maya an der südöstlichen Landesküste – dorthin hat es nämlich die Resort-Protagonisten Emma (Cristin Milioti) und Noah (William Jackson Harper) auf der Suche nach Ausbruch aus dem nach zehn Jahren merklich eingerosteten Ehealltag verschlagen.

Keine ausgesprochen ausgeprägte prophetische Gabe braucht es, um bald mal zu gneißen, dass Emmas und Noahs Leben, unverkennbar mehr Neben- denn Miteinander, durch ein akutes traumatisches Ereignis in seine fahle aktuelle Form gebracht wurde – und dass dessen Aufarbeitung bis spätestens zum letzten Abspann der Serie stattfinden wird sollen. Doch keine Angst: Szenen einer Ehe (unter Palmen) this ain‘t – denn zum dramaturgischen Brot und Butter gesellen sich bald einige exquisite Aufstriche, die Würze und Witz bringen in dieses Paradise mit all seinen verborgenen Troubles. Der Stein der Mystery wird wortwörtlich ins Rollen gebracht durch einen Quad-Bike-Ausflug, der mit einem heftigen Unfall Emmas endet – und mit einer Entdeckung am unteren Ende des Hügels, den sie eben runtergekugelt ist: Pardauz, liegt da doch tatsächlich ein Uralt-Handy im Gebüsch! Erst einmal die SIM-Karte ausgelesen öffnet sich sodenn ein Tor in ein ganzes Universum voller Rätsel, die nur darauf warten, entschlüsselt zu werden – zumindest, wenn es nach Emmas euphorischer Ersteinschätzung geht. Das alte Klappgerät gehörte einst einem Teenager namens Sam Lawford (Skyler Gisondo), der vor 15 Jahren zusammen mit Freundin und Eltern in der benachbarten Hotelanlage untergebracht war und wie vom Erdboden verschluckt ist, seit ein Hurricane damals jenes Oceana Vista Resort zerstörte (und den Rest der Gegend heil ließ). Doch nicht nur von Sam fehlt seitdem jede Spur – auch von der gleich alten Violet (Nina Bloomgarden), die zur selben Zeit mit ihrem Vater (Nick Offerman!) auch ebenda urlaubte, und die allem Anschein nach auch ein Pantscherl mit Sam hatte. So nimmt eine turbulente, twist-gespickte Schnitzeljagd ihren Anfang, die zunächst zwar nach nicht viel mehr als einer Suche nach Kicks für Emmas und Noahs Ehe aussehen mag, die sich aber im Laufe der acht Episoden, mit jeder pointenreich präsentierten Enthüllung und jedem crazy Ensemble-Neuzugang – MVP hier ist klar der exzentrische Ex-Resort-Sicherheitschef Baltasar Frias (Luis Gerardo Méndez) – zu einer sehr viel seltsameren, mithin surrealen Angelegenheit auswächst.

Die wundervolle Weirdness, die handelsübliche Hobby-Detektiverei auf ein anderes Level hebt, kommt nicht gänzlich aus heiterem Himmel – zumindest nicht, wenn man sich zuvor die Credits angesehen hat. Stößt man dort bei den Creators doch auf die Namen Sam Esmail und Andy Siara: Ersterer zeichnete für das die Hirnwindungen herrlich herausfordernde Verschwörungsthriller-Serienkultwerk Mr. Robot verantwortlich, zweiterer für die hochvergnügliche High-Concept-RomCom Palm Springs. Nicht nur weil auch hier wieder Cristin Milioti eine Hauptrolle gibt, ist die Kollaboration der zwei aber deutlich näher an letztgenannter Murmeltiertag-Mystery gebaut. So hat auch diese Rätselrallye neben einem progressiv arrangierten zeitlichen Gefüge (um es so spoilerfrei wie möglich zu sagen) und über amüsantes Hin und Her vermittelten Paardynamiken ein feines Gespür dafür, ihre Überlegungen zum Entstehen und Behaupten der Liebe in eine Story zu betten, die wilde Wendungen nicht nur nicht scheut, sondern gleich proaktiv sucht. Das alles macht, so viel Einschränkung muss sein, während des auf Tempo und Twists angelegten, launig und geistreich gestalteten Schauerlebnisses zugebenermaßen etwas mehr Spaß und auch Sinn als in der Nachbetrachtung. Reiz und Krux des Smart Comfort Binges eben …

Besondere Beachtung: Darf und soll dem oben erwähnten Luis Gerardo Méndez gewährt werden, der aus einem ohnehin bereits Tipptopp-Ensemble (ebenfalls nicht von schlechten Eltern übrigens: Ben Sinclair of High Maintenance-Fame als durchgeknallter Ruinen-Resort-Besitzer) noch einmal extra als andauernder Szenen-Stehler heraussticht. Ein Name, der einem in Zukunft hoffentlich noch öfter begegnen wird – eventuell ja auch in The Resort Season 2?

Koordinaten: The White Lotus; Palm Springs; Only Murders in the Building; Search Party

Anschauen oder auslassen? Anschauen. Zumindest wenn man Fan auch nur einer der in der obigen Zeile erwähnten Sendungen ist, deren wirkkräftigsten Komponenten The Resort mit der geballten Kunst der höchst effektiv eingesetzten Cliffhanger zu einem rasanten, zu keiner Sekunde langatmigen Show zusammenführt, die surrealen Schmäh und schneidigen Suspense liefert, ohne dabei unter allen Umständen Langlebigkeit zum Ziel zu haben.

[Geschaut: gesamte Staffel]