Viel wurde schon geschrieben über Olivia Wildes Zweitling. Wenig hatte mit dem retrorauschigen Mystery-Thriller selbst zu tun. Alsdann: Eine Einordnung anhand der Parameter Schauwertstärke, sozialer Relevanz und Suspense.

Darum geht’s: Man braucht dieser Tage noch nicht mal die verhängnisvolle Abzweigung nach Sparta zu nehmen, um nachvollziehen zu können, wie es ist, wenn aus heiterem Himmel Nebengeräusche ertönen, laut und schrill genug, um erbarmungslos alles zu überlagern, was eben noch eigentliches Objekt des Interesses sein wollte und sollte. Für artverwandte Eindrücke, freilich weniger existenziell einschneidender Natur, reichte neulich ebenso ein Blick auf das Treiben in der Lagunenstadt. Filme und die sie gelegentlich begleitenden Kontroversen unterschiedlicher Größenordnung also. Und Venedig also, wo vor gut einem Monat Olivia Wildes Regiezweitling Don’t Worry Darling beim dortigen Prestige-Filmfestival vor dem versammelten internationalen Filmtopcheckerklüngel vorgestellt werden sollte. Im Zentrum des Interesses nicht nur der Tabloids, sondern auch der vermutlich seriösen Branchenpresse stand dabei indes beharrlich der schier unerschöpfliche Fundus an während des und nach dem Dreh passierten Behind-the-Scenes-Skandälchen und weniger das Werk an sich, das denn (nicht nur) bei seiner Premiere am Lido ein wenig unterzugehen drohte. For better or for worse freilich, ist Don’t Worry… doch leider nicht der ersehnte nächste große Streich nach Wildes wunderbarer Debütarbeit, der queeren Teen-Komödie Booksmart, geworden. Aber alles der Reihe nach …

Zwar nicht so saftig wie das Real Life Drama hinter den Kameras, aber doch mit gutem Potential zur anregenden Kurzweil ausgestattet lässt sich jedenfalls mal die Plot-Synopsis an: In einer von der Außenwelt abgeschnittenen, an Komfort aber reichen Gated Community wird mitten in der Wüste ein klassisches Klischeeleben der Fifties gelebt: In makellosen Bungalows leben makellose Paare, die Männer (und nur die Männer) setzen sich allmorgendlich in ihre blitzenden Cadillacs, durchkämen im Autotorso die Wüste, um irgendwo hinterm Horizont topgeheimen Tätigkeiten für jene mysteriöse Company nachzugehen, nach der auch die Siedlung benannt ist: Victory. Die frühmorgens bereits perfekt gestylten Frauen widmen sich derweil Hausarbeit und Kinderbetreuung, um sich hernach im Country Club zu treffen, auf das eine oder andere Erfrischungsgetränk sowie den einen oder anderen Klatsch und Tratsch – freilich ohne dabei die seltsame Situation je in Frage zu stellen. Auch Alice (Florence Pugh) lebt mit ihrem Göttergatten Jack (Harry Styles) in jenem präfeministischen Wunderland des charismatischen Masterminds Frank (Chris Pine) das unbeschwerte Leben einer kaum desperaten Hausfrau – zumindest so lang, bis sich die mitunter verstörenden Risse, die irgendwann gehäuft an der so blitzeblanken Fassade des Biedermeier-Idylls auftauchen, nicht einmal mehr mit sehr viel gutem Willen und mutwilliger Ignoranz leugnen lassen. Shocker: Vielleicht ist ja gar nicht alles so, wie es scheint?!

Wer in seinem Leben auch nur beim Nebenherschauen schon mal Filmen mit dem Default Setting bonbonfarbene Bilderbuchwelt mit Gaslighting-Grundierung begegnet ist, beispielhalber etwa bereits die Stepford Wives kennenlernen durfte oder in der Truman Show zu Gast war (um nur die beiden offenkundigsten Referenzen zu nennen), kann sich folglich ausmalen, in welche Richtung diese wüstenstaubige Exkursion ungefähr gehen könnte – wenn auch noch nicht die konkrete Endstation. Und so lange Wilde und ihr Kamerakompagnon, der verdiente, versierte Aronofsky-Regular Matthew Libatique (Oscar-nominiert für Black Swan, aber auch A Star Is Born), diese Einflüsse in ein retrorauschiges, zum fortwährenden Staunen anregendes, inszenatorisch interessantes Ausstattungskino gießen, das mit genug visueller Finesse die Mystery im Mittelpunkt hinreichend gut am Köcheln hält und dabei immer wieder auch für manch gewitzten satirischen Seitenhieb auf aktuelle, allzu vergangenheitsselige misogyne Entwicklungen nicht nur auf der anderen Seite des Atlantiks gut ist: So lange ist auch alles gut.

Es sind freilich die Mühen der Ebene in Form der Auflösung des Build-ups aka der Einlösung der darin transportierten Versprechen, wo der Film so sehr ins Straucheln gerät, dass er nie mehr so recht in die Spur findet. Denn so sehr man nachvollziehen kann, dass eine gschmackige, das Geschlechterrollen-Gestern auf die Probe stellende Prämisse, genüsslich und solange es geht ausgeschlachtet werden will – den Zeitpunkt, an dem es dann noch einige essentielle Gänge höherschalten gälte, sollte man indessen auch nicht verpassen. Leider tun Wilde und ihr Film jedoch exakt das: treten gefühlt ewig und selbst dann noch auf der Stelle, wenn wirklich längst der Suspense übernehmen sollte – möglicherweise ja im Wissen darum, dass die Schlusspointe mit ihren Wurzeln in den Gefilden der (Genre-Spoiler!) Science-Fiction dann doch nicht die alles zuvor Gesehene in den Schatten stellende Offenbarung darstellt, der man so entgegengefiebert hat. Sondern eher, leider auch durch die immer trägere Umsetzung, lediglich von jener Qualität ist, wie man sie aus den zurecht weniger erinnerungswürdigen Episoden von Black Mirror kennt. Das Resultat: am Ende bleiben bloß Seufzer und Schulterzucken, wo ob des Themas doch unbedingt das Potential für einen allgemeinen Aufschrei der ehrlichen Empörung vorhanden gewesen wäre. Eine verschenkte Gelegenheit, die einen einigermaßen ernüchtert zurücklässt – nicht zuletzt, weil man weiß: es wird nicht an den Nebengeräuschen gelegen haben, dass man diesen Film in keiner sonderlich guten Erinnerung behalten wird.

Besondere Beachtung: Verdient, jedoch nicht jene der erfreulichen Sorte: Harry Styles, erwiesenermaßen wie berechtigterweise der größte Pop-Star unserer Zeit, für sein umfassendes Scheitern auf dem Gebiet des Schauspiels: mit Geheimnis und Gespaltenheit seiner Figur mimisch derart überfordert, dass man beinahe Mitleid haben muss. Aber, hey, zumindest am Set dürfte Harry dafür Spaß gehabt haben (ha, doch noch Gossip!). Beachtung verdient dafür, unbedingt jene der erfreulichen Sorte: Florence Pugh. Selbstverständlich längst kein Geheimnis mehr – zumindest für niemanden, der Midsommar, Lady Macbeth oder The Little Drummer Girl gesehen hat: eine der feinsten Miminnen of Now, die hier mit großer Gabe zusammenhält, was sonst schon viel früher auseinanderfallen hätte können.

Koordinaten: Die Frauen von Stepford; The Truman Show; Black Mirror; Pleasantville; WandaVision

Anschauen oder auslassen? Auslassen. So leid einem diese Empfehlung auch tut. Doch bei aller, von ihrem grandiosen Erstlingswerk Booksmart herrührenden Liebe für Olivia Wildes Schaffen reichen in diesem Fall eine potente Prämisse, visuelle Virtuosität, die gute Absicht und Florence Pugh nicht aus, um diesen mit zunehmendem Verlauf immer schwerfälliger vorankommenden, schließlich sogar regelrecht einbrechenden Mystery-Thriller mit seinem wenig mitreißenden Twist in Form einer Victory über die Ziellinie am anderen Ende der endlosen Wüste zu bringen.