Im Zentrum dieser ergänzenden Podcast-Kolumne im Magazin The Gap steht ein zukünftiges Standardwerk des Black Cinema: die Miniserien-Adaption von The Underground Railroad.

„Und, worum soll es diesmal gehen?“ Die Qual der Themenwahl, sie ist mitunter very real. Zumal in Zeiten, in denen die Lichtspielhäuser des Landes zwar endlich wieder Hochämter begehen dürfen, die meisten der neuen Testamente aus dem notgedrungenen ausgedehnten Fernseh-Fernstudium der letzten Monate jedoch längst bekannt und auch im Zuge von Podcast-Plaudereien schon angeregt abgehandelt worden sind. Was also könnte aber nun sonst genug Wuchtig- und Wichtigkeit haben, dass es vor den Mikrofonen in derselben Weise wie vor den Empfangsgeräten für Ekstase sorgen könnte? Sollte es sich gar lohnen, auf der Suche nach neuen Sensationen mal wieder in jenen Ecken der Bewegtbildproduktion nachzuforschen, die durch abertausende dort mit Netflix-Stangenware verbrachten Stunden echt schlecht im Ruf stehen: dort, wo es Zerstreuung und Zeitvertreib standardmäßig staffelweise abzuholen gibt? Fuck yeah – und wie sich das mitunter lohnen kann.

The Underground Railroad, der konkrete Anlassfall für die heftig wieder aufgeloderte Serienliebe, konnte sich freilich praktischerweise von jeher auf ein Set-up verlassen, das hochkarätiger und vorfreudestiftender kaum vorstellbar scheint: Colson Whiteheads gleichnamiger Pulitzer Prize-prämierter Roman, von Oscar-Gewinner Barry Jenkins (Moonlight) mit allen benötigten Pesos von Bezos für dessen Amazon Prime zur Limited Series geformt. Mehr Prestige war lange nimmer im Fernsehkastl. Zusammen mit den alten Affen Erwartungshaltung und Enttäuschungsangst aber schließlich erste Reihe fußfrei vorm TV sitzend staunend wirklich dabei zusetzen zu dürfen, wie hier ein Rad in Formvollendung ins andere greift, wie sich aus dieser Great American Novel nicht nur eine der relevantesten und wichtigsten, sondern auch eine der besten Serien des Jahres, möglicherweise: des Jahrzehnts, entstehen durfte, ist nichts weniger als eine Offenbarung.

Ultra-immersiv, unerträglich intensiv

Es dürfte dieser Adaption freilich recht zupass gekommen sein, dass Whiteheads Werk bereits nahezu mustergültig für ein auf den Fortsetzungs-Gedanken setzendes Format angelegt war, so episodisch struktiert es die in einem Prä-Bürgerkriegs-Amerika angesiedelten Odyssee der jungen Sklavin Cora schildert, die auf der titelspendenden, wortwörtlich unterirdischen Eisenbahn – eine kühne alternativgeschichtliche Metapher für ein dereinst real existentes abolutionistisches Netzwerk mit sicheren Routen und Unterschlupfen – quer durchs Land of the Unfree flüchtend an jedem vermeintlich rettenden Ziel bloß neue beklemmende Facetten des systemischen Rassismus und der Unterdrückung Schwarzer erfahren muss. Obwohl gleich in einem Aufwasch veröffentlicht, sind diese zehn ultra-immersiven, häufig unerträglich intensiven Episoden gleichwohl entschieden nicht für ausgedehnte Bingewatching-Sitzungen angelegt, legen Pausen zum Verdauen und Verarbeiten nicht bloß nahe, fordern sie vielmehr unausgesprochen und doch unmissverständlich ein.

Dabei sind es nicht mal unbedingt nur die schonungslosen, donnernd laut aus der Vergangenheit ins Heute nachhallenden Darstellungen von schwarzem Schmerz, die hier ungeahnte Dringlichkeit erzeugen und so wirklich gar keine Distanz zulassen. Sondern in einem furiosen, freien Fluss der glühenden Bilder all die Auslassungen und Leerstellen, die Jenkins und Whitehead ihrem knallharten Stoff bewusst erlauben. Es sind all die flüchtigen Glücksverheißungen und kunstfertig eingestreuten Tupfer von magischem Realismus, die unerschütterlich und universell erkennbar die Möglichkeit einer Insel der ungeahnten Möglichkeiten nahelegen. Die Erkenntnis, dass diese für die Black Community nicht nur in den US of A unerreichbar bleiben wird, solang die Banalität des Bösen das Bauen von Brücken für die Züge des zivilisierten Zusammenlebens stets aufs Neue verhindert, wird diesen Instant-Klassiker des seriellen Erzählens in hoffentlich zahllosen Köpfen anstoßen. Denn in letzter Konsequenz hat sie wirklich jede und jeder von uns jeden einzelnen Tag aufs Neue zu treffen, die Wahl der Themen, die uns so wichtig sind, dass wir unverzüglich über sie reden wollen.