Will Ferrell. Paul Rudd. In den Eighties und entsprechender Panier. Und doch kein Anchorman in Sicht, sondern eine berührende, etwas lange Miniserie über die Wichtigkeit der Entscheidung, zu wem man sich auf die Couch legt.

Darum geht’s: Podcasts, die das sehr weiträumige Feld der TV-Serien beackern: Man kennt und schätzt sie. Hoffentlich ja auch unseren, den wir mit entschlossener Regelmäßigkeit in die Lautsprecher der Ländereien deutschsprachiger Zunge schicken. Inspirationen und Ideen fließen freilich längst auch in die entgegengesetzte Richtung – in Form von TV-Serien, die das noch weiträumigere Feld der Podcasts beackern. Das von Mr. Robot-Erfinder Sam Esmail erschaffene, zumindest in Staffel eins beeindruckend beunruhigende Homecoming etwa oder Limetown, eines der wenigen Serien-Originals von Facebook Watch (ja, das gab‘s!), zuletzt auch Dr. Death über einen ruchlosen Chirurgen: Sie alle gab es vor ihrer Verfilmung – mal ausgedacht, mal wahre Geschichten aufbereitend – bereits im Audioformat.

Das jüngste Beispiel für diesen Trend, so man den Terminus hierfür schon in den Mund nehmen darf, liefert der dieser Tage sehr offensiv auftretende Streamingdienst Apple TV+ nun mit The Shrink Next Door, einer Miniserien-Adaption des gleichnamigen populären Nonfiction-Podcasts von Joe Nocera. Die Geschichte, die der an sich auf Business-Themen spezialisierte Reporter im wahrsten Sinne des Wortes vor seiner eigenen Haustür beobachten durfte, ist wieder mal eine jener, die zu eigentlich viel seltsam klingen, um echt zu sein. Sie ist aber auch viel zu gut, um nicht aufgeschrieben, eingesprochen und schließlich verfilmt zu werden – insbesondere, wenn man in Betracht zieht, dass sie sich über einen Zeitraum von etwa drei Dekaden gezogen hat.

Dabei hatte Anfang der Achtziger alles noch überhaupt nicht aufsehenerregend angefangen: Nach dem Tod seines Vaters erbt Marty Markowitz (Will Ferrell) das Manhattaner Familien-Textilunternehmen geerbt, ist aber in seiner Trauer nicht nur damit erst mal kräftig überfordert. Da braucht es nicht erst den Rechtsstreit mit einem Onkel über die Firmenführung, damit der tapsige Typ aus der Bahn geworfen wird – dafür reicht schon ein unzufriedener Kunde oder die Ex, die auf dem zugesicherten Luxusurlaub beharrt. Der nächste Nervenzusammenbruch ist immer nur ein falsches Wort entfernt. Glücklicherweise hat Marty mit seiner Schwester Phyllis (Kathryn Hahn) einen guten Geist an seiner Seite. Sie ist es, die ihm in bester Absicht nahelegt, einen Therapeuten aufzusuchen. Obwohl Marty denkt, dass ohnehin alles fein sei, willigt er der Schwester zuliebe ein, sich bei Isaac Herschkopf (Paul Rudd) auf die Coach zu begeben.

Tatsächlich helfen Marty die unkonventionellen Methoden des etwas parvenühaften Psychodocs bestens beim Bewältigen der Hausaufgaben und Herausforderungen des Lebens. Allerdings auf andere Art und Weise als gedacht: Er ist zwar immer noch ein reiches Armutschkerl, das nix auf die Reihe kriegt – doch alles Unangenehme erledigt gegen gutes Geld fortan einfach Dr. Ike für ihn. Für den scheinen Grenzen sowieso nur dazu da zu sein, um übertreten zu werden: Schritt für Schritt nistet sich der sich als unverzichtbar gerierende Seelenklempner weiter in Martys Leben ein, setzt sich mittels einer Kombi aus Brainwashing und Gaslighting in den zentralen Bereichen der Existenz seines Patienten fest. Ehe es sich dieser noch versieht, hat er den begabt unverschämten Schnorrer als besten Freund und schlechtesten Einfluss nicht nur in seiner Firma sitzen, sondern sogar in seinem Haus in den Hamptons, wo sich Marty sogar aus freien Stücken selbst im Gästezimmer einquartiert. Dennoch scheint er selbstverloren zufrieden mit der Lage – aber ist er es auch? Bis zur Beantwortung der Frage sollen noch viele Jahre vergehen.

Sprechen wir es unerschrocken aus: Will Ferrell und Paul Rudd streifen in entsprechender Panier durch die 80er-Jahre: Bei einem solchen Set-up muss man sich von dieser Serie, die bisweilen als Komödie, zumindest als schwarze, verkauft wird, allfällige Andockungspunkte an Anchorman, den lustigsten Film dieses Jahrtausends, erwarten. Der Therapeut von nebenan unterläuft diese Vorfreuden jedoch nicht nur, sondern widersetzt sich ihnen mit dem proaktiven Einschlagen anderer Pfade: Die beiden Spaßbrüder sind in ihren jeweils (ungefähr) dritten Serienhauptrollen über weite Strecken im Seriositäts-Modus unterwegs. Jener steht, wie wir seit Stranger Than Fiction wissen, besonders Ferrell gar nicht schlecht zu Gesicht: Mit ähnlicher Nüchternheit wie in diesem gern unterschätzten Werk legt er seine von Lebensüberdruss durchdrungene Figur auch hier an, und man nimmt ihm die Verzagtheit in jeder Sekunde ab. Entsprechend sind die Sympathien nach kurzer Zeit eindeutig zugunsten von Marty verteilt. Richtig verabscheuen will man Rudds arglistigen Seelenklempner jedoch auch nicht – dafür besitzt this charming man Paul schlichtweg ein zu sympathisches Naturell.

Es ist dies nicht die einzige Unentschlossenheit, die diese von Dramedy-Profi Georgia Pritchett (Succession, Veep) konzipierte Show über längere Strecken nicht komplett zufriedenstellend in den Griff kriegt. En passant eingestreute humoristische Momente fordern etwa den prinzipiell ernsten, realistischen Tonfall der Erzählung immer wieder heraus, geraten dann aber nicht pointiert oder gewagt genug, um ein entsprechendes Gleichgewicht herstellen zu können. Ein Manko, das der sich gern in Schleifen drehende, nicht zielstrebig auf Zuspitzung ausgerichtete Plot gleichwohl auch nicht kompensieren kann oder will. Ja, mitunter kommt man sich im Verlauf der acht dreiviertelstündigen Episoden selbst ein wenig wie in einer therapeutischen Sitzung vor, einer, die schon zu lange dauert und kaum Fortschritte zeitigt. Womöglich ist genau diese Redundanz, dieses gelegentlich auftretende frustrierende Gefühl, dass diese Story mit etwas gutem Willen auch in einen Film gepasst hätte, aber auch der Sinn der ganzen Sache: Der Weg der Erkenntnis ist eben gelegentlich ein mühsamer, Durchbrüche brauchen ihre Zeit und kommen zu einer ganz anderen Zeit in ganz anderer Form daher als erhofft. So wie letzten Endes auch in The Shrink Next Door, dessen emotional nahegehender Payoff es tatsächlich wert ist, bei der unglaublichen Geschichte dieses damischen Duos drangeblieben zu sein.

Besondere Beachtung: Für die Zahlen, bitte! Über das gesamte finanzielle Ausmaß der dieser Beziehung wird man im Abspann der letzten Folge aufgeklärt (Spoiler-Warnung, eigentlich aber auch nicht): Über einen Zeitraum von 27 Jahren entlohnte Marty Dr. Ike mit einer stolzen Summe von 3,2 Millionen Dollar für dessen „Dienste“.

Koordinaten: Anchorman; Living With Yourself; Stranger Than Fiction

Anschauen oder auslassen? Anschauen. Die Reunion des Comedy-Dreamteams Ferrell und Rudd mag zwar anders ausgefallen sein als von vielen herbeigesehnt, ihre Interpretation des irrwitzigen Real-Life-Verhältnisses zwischen Parvenü und Psychowrack ist trotz des freiwilligen Verzichts auf Lacher und mancher Länge die diversen Sitzungen auf der heimischen Couch wert. Wegen der emotional eindringlichen letzten Meter sowie der nicht zu verschmähenden Botschaft, mit der man aus der Nummer raus geht: Therapeuten und Seelenklempnerinnen sind wichtig, bisweilen überlebenswichtig – gerade deshalb wählt man sie besser mit Bedacht.

[Geschaut: Gesamte Miniserie]